Bitte achtet euch!

Foto von Annie Spratt auf Unsplash

Was erwartet euch in diesem Text? Ich will ehrlich sein: Ich muss das mal loswerden. Es geht um einen Missstand, bei dem ich denke, dass er mit einem bewussteren Umgang relativ einfach zu beseitigen wäre. Nämlich: Wie eliminieren wir die Ungleichbehandlung von Frauen und anderen von Vorurteilen Betroffenen im Business-Kontext? Dazu einige Gedanken – und eine einfach anwendbare Idee für den Büroalltag.


Ist euch schon mal aufgefallen, dass Männer anderen Männern gefallen wollen? 👀

Sie finden sich cool, grüssen sich auf dem Flur mit lustigen Handschlägen, klopfen sich auf die Schulter und finden sich einfach gut. Nun atmet der cis-Mann, der bis hierhin gelesen hat, sicher auf, denn damit sei geklärt, was “gefallen wollen” in diesem Zusammenhang meint. Und wir Frauen? Wir wollen ebenfalls den Männern gefallen.

Ihr pflichtet mir sicher bei, liebe Kolleginnen, dass uns Frauen damit in einer emanzipierten Welt unter vermeintlich gleichgestellten Mitarbeitenden langfristig nicht wirklich Gleiches zukommen kann?

Im Gegenteil, es wirkt sich sogar äusserst ungünstig auf unser “Standing” aus und zementiert die bestehende Ungleichbehandlung in der Arbeitswelt. Während das führende Alpha-Männchen (wir erinnern uns: das ist jenes, das andere Männer emporhebt, sobald seine eigene Position gesichert ist) sicher nicht sein Augenmerk auf talentierte Frauen richtet, weil die männlichen Zurufe so viel lauter sind und die Anwärter bereits in den Startlöchern stehen, verpassen wir die Chance. Wenn uns das wütend macht – dann bitte leise, sonst sind wir unangenehm “hässig” und schwierig zu ertragen. So müssen wir nur noch mehr zurückhalten von dem, was wir denken und wissen – ansonsten droht Ausschluss. Also passen wir uns an – selbst die Rebellinnen unter uns.

Und weil wir hoffen, dass unser “hofieren” irgendwann auch etwas von diesem Status des Alpha-Männchen auf uns abfärben lässt, tun wir es den Männern gleich. Wir sind streng zu uns selbst und ebenso zu Kolleginnen und unterstützen die Männer dabei aktiv in ihrem Weiterkommen.

Aber so geht es nicht! Ladies, wir brauchen unsere eigene Lobby! Wir müssen mehr auf uns achten. Und wir benötigen Allyship – unsere Verbündeten, die sich zu Wort melden, nicht um uns zu “retten” oder andere zu belehren, sondern damit wir alle besser darin werden, allen im Team denselben Stellenwert zukommen zu lassen.

Ich mache uns Frauen dafür sicher keine Vorwürfe, wir haben es so verinnerlicht. Und – es funktioniert auch heute noch grösstenteils so; wenn wir die Gunst der Alpha-Männchen haben, dann erst haben wir reelle Chancen im Business, in der Politik und im gesellschaftlichen Leben gesehen und ernst genommen zu werden. Der Weg dorthin ist oft: Lange am selben Ort in der selben Abteilung/Stellung treue Dienste zu erweisen, nahezu perfekt zu sein oder so brilliant zu performen, dass nach jeglichem Ermessen kein Besserer (hier wird bewusst die männliche Form verwendet), gefunden werden kann.

Eine Frau muss sich unzählige Male als fähig erweisen, bis sie als fähig erkannt wird - ein Mann muss sich unzählige Male als unfähig erweisen, bis er als unfähig erkannt wird.
— Name der Redaktion bekannt

Was ich in meiner beruflichen Karriere gelernt habe und das verstört mich zutiefst; selbst wenn Frauen in der Führung sind, reproduzieren sie oft unbewusst dasselbe, sogar aus ihrer Position. Die Stellung, in der sie erstmals unantastbar und befähigt wären, als bestes Beispiel voranzugehen, bleibt damit ungenutzt. Es gibt selbstverständlich Ausnahmen aber nach meinem Ermessen sollte das eher die Regel sein, nicht die Ausnahme.

Ich habe das selbst in einem Hilfswerk erlebt: Männer kamen auch dort deutlich öfter zu Wort – auch dann, wenn das Thema gar nicht ihrem Fachgebiet entsprach oder gar erfahrenere Frauen im Raum waren. Ihre Aussagen stiessen dennoch auf Zustimmung, wurden aufgenommen und rege diskutiert. Die Beiträge der Frauen hingegen verhallten oft im Raum. Falls ich hier in eine gewisse Polemik abdrifte, verzeiht es mir, es beschäftigt mich einfach schon zu lange und es gibt vor allem Lösungen!

OK? Sags mir, was kann ich tun?

Achte dich im nächsten Meeting, auch in Bezug auf dein eigenes Verhalten:

Check Redezeit?

  • Notiere im nächsten Meeting für dich, wer (m/f/d) wie lange redet.

Wessen Aussagen haben mehr Gewicht?

  • Notiere dir die Namen aller, die einen Vortrag kommentieren. Das sind alle Wortmeldungen, die unmittelbar auf eine Präsentation oder ähnliches folgen wie: Bemerkungen, Ergänzungen, Ideen, Bedenken, Lösungswege und dergleichen.

  • Notiere direkt dazu, wieviele positive Reaktionen auf jede dieser Wortmeldungen folgen. Das kann ein zustimmendes Nicken sein, ein stimmliches beipflichten, das Aufnehmen des Punktes und daraus resultierende weitere Gespräche. Für jede Reaktion gibt es einen Strich. Wer hat am Ende die Meisten Punkte?

Wer unterbricht andere?

  • Auch interessant zu protokollieren: Wer darf andere ohne Einhalt unterbrechen?

Bringe daraufhin deine Beobachtungen zu den Verantwortlichen und rege an, dass ihr gemeinsame Normen entwickelt, die Ausgleich schaffen. Schlage vor, dass ihr als Team eine Art Signal einführt, das bei Regelverstoss als “friendly reminder” verwendet werden kann.

Wenn ihr eine Kultur der Gleichstellung tatsächlich anstrebt, dann wird am Diskurs über diesen Vorschlag schnell klar, wie ernst den Verantwortlichen das Thema ist.


Hierzu ein hilfreicher TED Talk, der das “voneinander Lernen-Wollen” in dieser Hinsicht in drei Schritten in die Praxis umsetzt. Nur so, gelingt es das volle Potenzial aller Mitarbeitenden im Team nutzen zu können und langfristig zufriedene Mitarbeitende zu haben.

Wie man Vorurteile gezielt unterbricht – nach Trier Bryant und Kim Scott:

  • Ein gemeinsames Vokabular schaffen, um Vorurteile anzusprechen (ab Min. 0:50), zum Beispiel mit einem Signalwort wie «purple flag» oder durch eine Ich-Botschaft, etwa: «Ich glaube nicht, dass du das so gemeint hast, wie es geklungen hat.»

  • Eine gemeinsame Norm entwickeln, wie man reagiert, wenn ein eigenes Vorurteil angesprochen wird (ab Min. 2:40). Da das peinlich sein kann, braucht es Mut, andere auf ihre Vorurteile hinzuweisen. Eine mögliche Reaktion ist: «Danke, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast», wenn man es versteht, oder: «Danke – ich verstehe es gerade nicht ganz, kannst du es mir bitte nach der Sitzung erklären?»

  • Sich verpflichten, Vorurteile regelmässig zu hinterfragen und zu unterbrechen (ab Min. 4:45) – zum Beispiel mindestens einmal in jeder Sitzung. Denn Schweigen verstärkt Vorurteile. Wir alle tragen Verantwortung, uns zu äussern.

The shared norm made me listen and learn, rather than getting defencive - the fact that there was a norm at all, reassured me that other people are making similar kinds of mistakes”
— Kim Scott
Weiter
Weiter

Die Rauhnächte – neue Auflage!